Dialogisches Wissensmanagement

Dialogorientiertes Wissensmanagement

veröffentlicht am %01-%000-%2014

1 Einleitung

Bildung und Wissen sind in der heutigen Gesellschaft entscheidende Schlüsselfaktoren für das erfolgreiche Bestehen im Wettbewerb. Das moderne wirtschaftliche Umfeld unterliegt einem rasanten Wandel und stetiger Veränderung: Finanzkrise und ökonomische Unbeständigkeit, globaler Wettbewerb, digitale Revolution und eine zunehmende Individualisierung sind nur ein paar Beispiele dafür.

Die Fähigkeit einer Organisation, diesem gesellschaftlichen Wandel flexibel und konstruktiv zu begegnen, wird immer mehr zu einem Erfolgsfaktor. Manche Veränderungen brechen so überraschend herein, dass Antworten, Wissen, Methoden und Fertigkeiten bereits im Moment ihres Entstehens veraltet sein können. Vor diesem Hintergrund wird es bei der Gestaltung von Arbeits- und Organisationsprozessen zukünftig immer auch um die Frage gehen müssen: Wie kann es im Kontext komplexer und sich schnell verändernder gesellschaftlicher Entwicklungen gelingen, aktuelle und zukünftige Herausforderungen zu meistern? Welche Methoden werden diesem Anspruch gerecht? Und wie können diese in Organisationen und Unternehmen implementiert werden?

Viele Organisationen benötigen frische Ideen, um sich strategisch richtig für die Zukunft vorzubereiten und den Auswirkungen dieser dynamischen Veränderungen auf das eigene Handeln kraftvoll zu begegnen. Nur durch zukunftsfähige Produkte und Dienstleistungen sowie geeignete Prozesse zu deren Vermarktung, sind Organisationen in der Lage, ihren Aufgaben weiterhin gerecht zu werden und neue Arbeitsfelder zu entwickeln.

Dialogorientiertes Wissensmanagement ist ein neues Konzept der Zusammenarbeit von Menschen in Organisationen und Unternehmen. Der Aufbau, die Pflege und das Management von lebendigen Wissensnetzwerken sind dabei eine wichtige Voraussetzung. Dialogorientiertes Wissensmanagement basiert auf einer Reihe bereits etablierter Konzepte, Methoden und Vorgehensweisen und kombiniert diese mit neuen Ansätzen zur Umsetzung dialogischer Arbeitsstrukturen. Diese Bausteine und Möglichkeiten für deren Umsetzung werden im Folgenden beschrieben.

2 Wissensmanagement in der Praxis

Aufgabe von Wissensmanagement in der Praxis ist es, dafür zu sorgen, dass das benötigte Wissen zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Erfahrungen zeigen jedoch, dass die meisten Konzepte zum klassischen Wissensmanagement an dieser Herausforderung scheitern. Die Idee, die hinter diesen klassischen Ansätzen steckt, ist, Wissen zu sammeln, zu speichern und zu teilen. Mitarbeiter werden angehalten, ihr Know-how fortlaufend in einer Datenbank zu dokumentieren, um so kollektives Wissen im Sinne eines Unternehmensgedächtnisses aufzubauen. Für viele Unternehmen erweist sich dieses IT-getriebene Wissensmanagement als eher unbrauchbar. Die Datenbanken werden im Arbeitsalltag häufig ignoriert und mutieren so in kürzester Zeit zu Datenfriedhöfen. Das liegt sicherlich auch daran, dass vielen Mitarbeitern der Aufwand zu groß ist, im Anschluss an das anstrengende Tagesgeschäft, ihre Erfahrungen aufzuschreiben. Entscheidender für ihr Desinteresse dürfte aber sein, dass sie einfach keinen Sinn in dieser Form der Sammlung und Abspeicherung von explizitem Wissen sehen.

Nutzen von dialogorientiertem Wissensmanagement

-Gemeinsames Entwickeln von kreativen Ideen und neuen Produkten
-Vertrauen aufbauen und Denkblockaden überwinden
-Aktuelle Themen aufbereiten und Daten sammeln
-Tagesaktuelle Fachinformationen bereit stellen
-Anregende Fachgespräche fern von Büroatmosphäre führen
-Austausch mit Kollegen über eigene Aufgaben und Arbeitsschwerpunkte
-Neue Kenntnisse über aktuelle Entwicklungen gewinnen
-Von den Erkenntnissen und Erfahrungen der Kollegen profitieren
-Auf das Erfahrungswissen von Vorgängern zurückgreifen
-Einfach und schnell auf fachliche Informationen und Quellen zugreifen

Ein fundiertes (explizites) Wissen ist eine wesentliche Voraussetzung, aber keine hinreichende Bedingung, um erfolgreich neue Ideen, Produkte, Dienstleistungen, Services, Prozesse, Strukturen oder Verhaltensweisen zu entwickeln. Der Mensch verfügt vor allem über stilles (implizites) Wissen, das sich nicht so einfach von seinem Träger lösen und in ein Informationssystem pressen lässt.

Entscheidend ist also, die individuellen und kreativen Ressourcen der Menschen zu aktivieren, die in Organisationen und Unternehmen tätig sind und zwischen ihnen einen lebendigen und offenen Erfahrungsaustausch zu ermöglichen. Damit aus Informationen anwendbares Wissen wird, muss der Mensch auswählen, vergleichen, bewerten, verknüpfen und sich mit anderen austauschen können.

Es stellt sich an dieser Stelle die Frage: „Wie kann es gelingen, nicht nur das Wissen, sondern auch die Kreativität und das Know-how von Mitarbeitern und Führungskräften für die Lösung aktueller und zukünftiger Herausforderungen zu gewinnen, zu bündeln und zu nutzen?“

3 Entwickeln einer organisationalen Wissensmanagement-Strategie

Organisationale Weisheit entsteht erst dann, wenn es gelingt das sogenannte explizite Wissen (Daten, Informationen, Fakten) mit dem impliziten Wissen (Erfahrungen, intuitives Wissen, Können) zu vernetzen und im Sinne einer ganzheitlichen Wissensmanagement-Strategie als Basis für organisatorische Entscheidungen zu nutzen.

Auf der einen Seite ist es notwendig und sinnvoll, das explizite Wissen, welches in einer Organisation geschaffen, gespeichert, weitergegeben und benutzt wird, zu dokumentieren und mit Hilfe der modernen Informationstechnologie zu kodieren, zu speichern und zur Verfügung zu stellen. Dies kann mit Hilfe von aktuellen Datenbanksystemen oder sogenannten Wikis erfolgen.

Auf der anderen Seite ist es entscheidend, implizites Wissen über zwischenmenschliche Interaktionen miteinander zu teilen. Die wirklich wichtigen Erfahrungen werden häufig informell weitergegeben, z.B. durch Zuschauen und Ausprobieren, durch Geschichten und Bürogeflüster, in Lehrling-Meister-Beziehungen oder in zwanglos kommunizierenden Expertenrunden. Es gilt, Strategien und Strukturen aufzubauen, damit sich ein konstruktiver (informeller) Dialog mittels sozialer Netzwerke und persönlicher Kontakte entwickeln kann, in dem die Akteure die Möglichkeit haben, internes und informelles Wissen zu erlangen und es sowohl formell als auch informell weiter zu geben.

4 Der Dialog als Voraussetzung für aktives Wissensmanagement

Der Dialog ist eine besondere Art und Weise, um Menschen miteinander in Kontakt zu bringen und Lernprozesse zu initiieren. Perspektivwechsel werden möglich durch bewusstes Hinterfragen von Wissen, Überzeugungen und Erwartungen. Eine solche Form der Kommunikation und des aufmerksamen Zuhörens ist der Ausgangspunkt für ein Denken in neue Richtungen. Durch die Vernetzung unterschiedlichster Sichtweisen entwickeln sich oft völlig neue Ideen. Ein echter Dialog stößt Bewegung und Entwicklungsprozesse an (Wüntsch, 2010, S. 7ff.).
Der Dialog ist ein wirkmächtiges Instrument, wenn es darum geht, Mitarbeiter, Gruppen, Teams und Organisationen an Entwicklungs- und Innovationsprozessen zu beteiligen und ein Wir-Gefühl aufzubauen.

Mögliche Handlungsfelder für Dialog sind:

  • der interne Dialog (Erfahrungsaustausch zwischen den Mitarbeitern),
  • der fachliche Dialog (Entwicklung von Zukunftsperspektiven und neuen Konzepten),
  • der externe Dialog (Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation),
  • der politische Dialog (Lobby-Arbeit),
  • der Spender-Dialog (Beziehungsmanagement zu Spendern und anderen Förderern).

Eine wesentliche Herausforderung für die Nutzung organisationaler Weisheit und die Implementierung eines dialogorientierten Wissensmanagements liegt darin, einen achtsamen Dialog innerhalb der Organisation und zwischen ihren Akteuren aufzubauen! Es gilt, alle beteiligten Mitarbeiter einer Organisation zu motivieren, den gemeinsamen Wissenstransfer und Zukunftsdialog aktiv zu gestalten.

Handlungsleitendes Motiv beim Aufbau und der Entwicklung eines dialogorientierten Wissensmanagements ist es, die individuellen Potentiale und Ressourcen aller – im Sinne der organisatorischen Entwicklung – zu aktivieren. Nur so lässt sich die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit steigern und weiterentwickeln.

5 Aufbau von analogen und digitalen Dialogplattformen

Im Zentrum eines dialogorientierten Wissensmanagements stehen Aufbau und Pflege einer aktiven und funktionierenden Dialoginfrastruktur. Für den Aufbau eines dialogorientierten Wissensmanagements ist es erforderlich, auf unterschiedlichen Ebenen Dialogplattformen zur Verfügung zu stellen. Dialogplattformen sind reale und virtuelle Begegnungsorte, an denen der Transfer von implizitem und explizitem Wissen geschehen kann. So kommen Führungskräfte, Mitarbeiter und andere beteiligte Akteure miteinander ins Gespräch und schaffen Räume, in denen (Zukunfts-)Themen gemeinsam bearbeitet und Ideen entwickelt werden können.

Auf der einen Seite ist es erforderlich, regelmäßig analoge Dialog-Veranstaltungen mit Hilfe von Formaten aus der systemischen Organisationsentwicklung (z.B. OpenSpace, Appreciative Inquiry, Presencing) und dem dialogischen Wissensmanagement (z.B. Knowledge-Café, Wissenswerkstätten, BarCamps, Wissenszirkel oder Triadengespräche) durchzuführen.
Auf der anderen Seite ist der Aufbau und die Nutzung von digitalen Dialog-Plattformen (z.B. bei Facebook, Twitter, Xing, Blogs, etc.) empfehlenswert, um Menschen im Web 2.0 zu vernetzen, Informationen und Wissen auszutauschen und eine Wissens-Community aufzubauen. Dazu gehört auch, eine einfach zu bedienende Wissensdatenbank im Inter- bzw. Intranet (z.B. als Wiki) zur Verfügung zu stellen.

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für ein dialogorientiertes Wissensmanagement ist eine attraktive Verbindung zwischen der analogen Welt (echte Erlebnisse, Projekte, Aktionen) und der digitalen Welt (Web 2.0, Homepage, Blogs, Foren). Dazu ist es auch erforderlich, entsprechende Anreize zu schaffen und Menschen zu aktivieren, sich im Web 2.0 über relevante Themen, Projekte und Aktionen auszutauschen und sie in ihren eigenen Netzwerken weiterempfehlen. Voraussetzung dafür ist es, (für die Nutzer) relevante Inhalte zu erstellen und zusammenzutragen und für die Nutzung in den unterschiedlichen Medien aufzubereiten.

6 Fazit und Ausblick

Dialogisches Wissensmanagement ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für den Aufbau und die Entwicklung einer innovativen Organisationskultur. Das Konzept kann als notwendige Reaktion auf Veränderungen in einer immer dynamischer werdenden Welt verstanden werden. Viele Organisationen und Unternehmen stehen vor tiefgreifenden Veränderungen. Aktuelle und zukünftige Krisen unserer Zeit werden nur bewältigt und wirkliche Lösungen für die gewaltigen Herausforderungen nur gefunden, wenn die Beteiligten willens sind, die Situation genauer zu betrachten und tiefere Einsichten aus ihren Beobachtungen zu gewinnen.

Ziel einer dialogorientierten Wissensmanagementstrategie ist, die Weisheit und Ideenkraft der Vielen für die Organisation nutzbar zu machen. Es gilt, eine Kultur zu schaffen, in der Ideen für innovative Produkte oder Dienstleistungen entstehen. Beim Aufbau und der Entwicklung einer lebendigen organisationalen Weisheit und der Implementierung eines dialogischen Wissensmanagements ist ein echter Dialog ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg. Dialogisches Wissensmanagement kann dabei als Herausforderung gesehen werden, neue Chancen zu nutzen, die sich durch die zunehmende Wissensgesellschaft, Globalisierung und den wachsenden technologischen Fortschritt ergeben. Das Innovationspotential, das sich daraus ergibt, lässt neue Möglichkeiten für die Bewältigung unserer Zukunftsaufgaben erahnen.

Voraussetzung für die Anwendung und Nutzung organisationaler Weisheit ist zunächst, dass ein solches Vorgehen von den Entscheidungsträgern in einer Organisation gewünscht ist. Eine Grenze bei der Umsetzung liegt in der Angst vor Machtverlust und Veränderung. Damit dialogisches Wissensmanagement als neues Konzept der Zusammenarbeit erfolgreich in einer Organisation aufgebaut werden kann, ist es erforderlich die dafür notwendigen institutionellen Rahmenbedingungen zu schaffen. So ist es zum Beispiel notwendig, eine Atmosphäre der Freiheit und des Vertrauens zu schaffen, in der sich diese neue Form der Zusammenarbeit entwickeln kann (Wüntsch, 2009, S. 217ff.). Genauso wichtig ist, dass sich ein Mitarbeiter verantwortlich um dialogisches Wissensmanagement kümmert und Andere dazu motiviert, die neuen Dialog- und Wissensplattformen aktiv zu nutzen. Dabei ist es immer wieder erforderlich, mit den Ängsten und Vorbehalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wertschätzend und verständnisvoll umzugehen. Nur so kann der Aufbau lebendiger Wissensnetzwerke nachhaltig funktionieren. Die Implementierung dialogischen Wissensmanagements kann dabei als Chance gesehen werden, von dem Know-how und dem Erfahrungswissen aller Beteiligten zu profitieren.

Literatur

Bergman, Jens (2007). Die gläserne Firma. brandeins, Ausgabe 3/2007, Schwerpunkt: Spitzenkräfte, 109-115.
Braun-Thürmann, Holger (2005). Innovation (1. Auflage). Bielefeld. Transcript Verlag.
Consition GmbH (2009). Open Innovation Camp - Innovationen für neue Arbeitsplätze. Dokumentation, 29.-31. Oktober 2009 (1. Auflage). Stuttgart.
Rogers, Carl R. (1974). Lernen in Freiheit – Zur Bildungsreform in Schule und Universität (4. Auflage). München. Kösel-Verlag.
Rogers, Carl; Roethlisberger, F.T. (1992). Kommunikation - Die hohe Kunst des Zuhörens. Harvard Business Manager, 74-89.
Surowiecki, James (2007). Die Weisheit der Vielen - Warum Gruppen klüger sind als Einzelne (1. Auflage). München. Goldmann Verlag.
Wüntsch, Oliver (2010). Person-Centered Leadership - Ein zukunftsweisendes Modell für die Führung von Organisationen in individualisierten Gesellschaften. Gesprächspsychotherapie und Personzentrierte Beratung. 7-15.

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