Management by Person-Centered Leadership

veröffentlicht am %10-%958-%2012

Personzentriert Führen und die Theorie U

Personzentrierte Führung zielt darauf ab, die Mitarbeiter zu unterstützen, eigene Fähigkeiten zu entwickeln, um gegenwärtige und zukünftige Probleme selbstständig zu lösen. Der Glaube einer personzentrierten Führungskraft an die Aktualisierungstendenz (ihrer Mitarbeiter) und die Verwirklichung der personzentrierten Grundhaltungen sind die Voraussetzung für die Wirksamkeit der individuellen bzw. teamspezifischen, dialogischen Führungs- und Interventionsformen, die vielfältige Formen annehmen können.

Im Zentrum personzentrierter Führungsarbeit stehen immer Dialog und aktives Zuhören. Darüber hinaus sind alle dialogischen Führungsformen, Führungsstile und Methoden empfehlenswert, die helfen, Blockaden der Aktualisierungstendenz (einzelner Mitarbeiter oder die des Teams) zu beseitigen.

  • Kunze (2006)

In einer dynamischen Umgebung müssen Führungskräfte die (unternehmerischen) Ziele ergebnisorientiert verfolgen und gleichzeitig die individuellen Bedürfnisse und Ressourcen der Mitarbeiter berücksichtigen. Um in diesem Spannungsfeld wirksam führen zu können, gilt es, einen kreativen Arbeits- und Lernprozess zu initiieren, der die Kommunikation im Team und in der Organisation fördert und die Mitarbeiter motiviert, neue Wege zu entdecken. Dafür eignen sich z.B. die Phasen der Theorie U (Presencing). Die Theorie U basiert auf dem Personzentrierten Ansatz (Rasch-Oswald, 2007, S. 197). Sie wurde als soziale Technik entwickelt, um mit aktuellen und zukünftigen Herausforderungen in der Führung umzugehen, für die die Erfahrungen der Vergangenheit keine Antwort bieten. Der U-Prozess beschreibt wesentliche Schritte, die Führungskräften helfen, einen kreativen Arbeitsprozess im Team zu starten. Dafür ist es notwendig, Muster der Vergangenheit loszulassen, eine im Entstehen begriffene Zukunftsmöglichkeit wahrzunehmen und aus dieser Wahrnehmung heraus zu handeln (Scharmer, 2007, S. 204).

Der U-Prozess kann stark vereinfacht in drei Phasen unterteilt werden. Zunächst gilt es, die eigene Arbeit, das Arbeitsumfeld und sich selbst sensibel und unvoreingenommen zu untersuchen (Sensing). Dann wird ein Arbeits- und Lernprozess gestartet, mit dem Ziel eine gemeinsame Vorstellung von der Zukunft zu entwickeln. Im Ergebnis sollten konkrete Zukunftsaussagen schriftlich formuliert werden. Diese Phase verlangt von den beteiligten Personen, Annahmen, Glaubenssätze und Wissen loszulassen und einen leeren, nicht-wertenden Raum zuzulassen, in dem sich eine neue Lösung zeigen kann (Presencing). Im Weiteren werden die entdeckten (gemeinsamen) Vorhaben, Erkenntnisse, Wünsche und Ideen verdichtet und kristallisiert. Ziel ist es, Prototypen des Neuen zu entwickeln, um die Zukunft im Tun zu entdecken (Realizing).

Die potenziellen Fähigkeiten einzelner Mitarbeiter, spezieller Teams bzw. der gesamten Organisation können so freigelegt und die Energie auf ein gemeinsames Ziel konzentriert werden. Die Mitarbeiter werden dabei unterstützt, die Selbstverantwortlichkeit für ihre Arbeit, für individuelle Sach- und Entwicklungsziele und für übergeordnete Gruppen- und Firmenziele (weiter) zu entwickeln.

Eine Auswahl weiterer Ansätze, die eine ausgeprägte Nähe zur personzentrierten Haltung haben und gleichzeitig erprobte Formate für Veränderungsarbeit in Organisationen darstellen finden sich bei Seewald (2006, S. 27ff.). Dazu zählen u.a. Dialog nach Bohm, Open Space, Appreciative Inquiry, Systemaufstellungen oder das Culture Scout Network. Führungskräfte können mit diesen Formaten – auf Basis der personzentrierten Haltung – individuelles Wachstum der Mitarbeiter unterstützen und gleichzeitig die Ziele der Organisation nachhaltig verfolgen.

Die hohe Kunst des Zuhörens

Aufmerksames Zuhören kostet Zeit, und die ist für viele Führungskräfte ein knappe Ressource. Für Rogers (1992, S. 74ff.) gilt die gestörte Kommunikation zwischen Führungskräften und ihren Mitarbeitern als der größte Effizienzblocker in der täglichen Führungsarbeit. Schuld daran ist für ihn vor allem die menschliche Eigenschaft, Gehörtes (oder Gelesenes) unmittelbar zu bewerten und zu etikettieren. Rogers geht davon aus, dass echte Kommunikation erst dann zustande kommt, wenn wir den Hang zum sofortigen Bewerten überwinden und unserem Gegenüber erst einmal in Ruhe zuhören.

„Wie würde ein Streit zwischen Belegschaft und Management ausgehen, wenn die Arbeitnehmerseite den Standpunkt der Firmenleitung, ohne ihm damit zuzustimmen, so genau wiedergäbe, dass das Management diese Darlegung akzeptieren könnte? Und wenn das Management, ohne sich den Standpunkt der anderen zu eigen zu machen, deren Anliegen so vortrüge, dass die Belegschaft dem als korrekt zustimmt? Es würde bedeuten, dass eine echte Kommunikation in Gang gesetzt wäre und eine vernünftige Lösung wahrscheinlich gefunden werden kann“

  • Rogers (1992)

Im Verständnis von Rogers bedeutet genaues Zuhören, zuerst zu formulieren, wie man die Sache aus Sicht des anderen verstanden hat, bevor man seinen eigenen Standpunkt darlegt. Das mag auf den ersten Blick einfach klingen. Diese Art des (aktiven) Zuhörens ist in der personzentrierten Beratung eine äußerst wirksame Methode, um die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen zu fördern und seine Beziehungen zu anderen zu verbessern. Genaues Zuhören ermöglicht es, aufgewühlte Emotionen zu beruhigen, die Sach- und Beziehungsebene getrennt voneinander zu betrachten und die Differenzen rational und einsehbar werden zu lassen. Gerade bei erregten Diskussionen in Organisationen, die häufig sehr emotionsgeladen sind, fällt es den beteiligten Personen besonders schwer, sich in die Sichtweise eines anderen hineinzuversetzen. Doch genau hier ist aufmerksames Zuhören ein Erfolgsfaktor.

Das Konzept der verteilten Führung

In den meisten Definitionen wird Führen als das Bemühen eines Gruppenmitgliedes bezeichnet, das Verhalten anderer Mitglieder der Gruppe zu lenken und zu verändern. Führen heißt traditionell, Macht und Einfluss besitzen und auf andere auszuüben (Schmid, 1996). Im Gegensatz zu einem Verständnis von Führung als direktiv-lenkendes Vorgehen, als Steuerung, Training oder gar Manipulation wird personzentrierte Führung als Stil verstanden, der die Entwicklung des Teams und ihrer Mitglieder fördert und Macht im Sinne von Ermächtigung und Unterstützung einsetzt (Schmid, 2000, S. 2).

TABELLE

Die Tabelle gibt einen Überblick über zwei extreme Positionen zum Umgang mit Macht und Einfluss. Rogers verspürte immer den dringenden Wunsch, Einfluss und Wirkung auf andere Menschen auszuüben. Damit meinte er sein eigenes Verhalten, das ihm geeignet schien, das Verhalten anderer zu ändern – ihm ging es nicht darum anderen seine Meinung aufzuzwingen oder Herrschaft über andere auszuüben (Rogers, 1980, S.200).

Im Konzept der verteilten Führung beschreibt Gordon (2005) Führung als ein Bündel von Funktionen, das sich im Besitz einer Gruppe befindet. Führung wird in diesem Sinn als ein Sortiment von Funktionen verstanden, die nicht in den Händen einer einzelnen Person liegen, sondern von einem Team ausgeführt werden müssen.

Das Paradox personzentrierter Führung ist, dass die wichtigste Aufgabe einer personzentrierten Führungskraft – konsequent zu Ende gedacht – darin besteht, sich selbst als solche überflüssig zu machen. Diese Haltung entspricht der eines Therapeuten, dessen Aufgabe letztlich auch darin besteht, überflüssig zu werden. Wozu wird dann überhaupt eine personzentrierte Führungskraft benötigt? Nach personzentrierten Verständnis „besetzt“ sie den Platz, damit er von keinem anderen eingenommen wird. Die Aufgabe einer personzentrierten Führungskraft ist die eines „Platzhalters“. Sie sorgt dafür, dass kein anderer die Führungsposition für sich beansprucht und in einem nicht-personzentrierten Sinn die Gruppe für eigenes Interesse missbraucht (Schmid, 1996, S. 233).

Der Fully Functioning Manager

Mit der Theorie der Fully Functioning Person beschreibt Rogers die höchste Entwicklungsfähigkeit des menschlichen Organismus zur Aktualisierung und zur Kreativität. Analog hierzu kann der Fully Functioning Manager als eine Persönlichkeit beschrieben werden, die enge persönliche Beziehungen entwickelt, mitarbeiterorientiert ist, autonom und selbstverantwortlich handelt und die ihre hierarchische Positionsmacht nicht missbraucht (Terjung & Kempf, 2001, S. 103).

„Ein Mensch, der imstande ist, enge zwischenmenschliche Beziehungen zu entwickeln, der vor allem personenbezogen ist, der keinen großen Wert auf Macht legt, der eine sich entfaltende Persönlichkeit mit der Fähigkeit, sich selbst zu verstehen ist, würde sich alles in allem wahrscheinlich als der effektivste und produktivste Leiter eines Unternehmens erweisen“

  • Rogers (1980)

Der Fully Functioning Manager lebt vollkommen in der Gegenwart und ist in jedem Augenblick präsent und aufmerksam. Er ist ein sich ganz verwirklichender und handlungsfähiger Organismus. Auf Grund seines Selbst-Bewusstseins, das sein Handeln kennzeichnet, ist er eine sich verwirklichende und voll handlungsfähige Persönlichkeit (Rogers, 1974, S. 278).

Herausforderungen und Erfolgsfaktoren personzentrierter Führung

Das Klima in einer Organisation und die Arbeitsatmosphäre sind nach personzentriertem Verständnis von zentraler Bedeutung. Nur ein nicht-bedrohlicher (institutioneller) Rahmen bietet die idealen Voraussetzungen dafür, dass sich die potenziell vorhandenen Fähigkeiten und konstruktiven Kräfte der Mitarbeiter aktualisieren. Es ist also entscheidend, eine Atmosphäre der Sicherheit und Offenheit herzustellen, die es den Mitarbeitern ermöglicht, ein Risiko einzugehen und etwas Neues zu wagen (Schmid, 1996, S. 242).

Wesentlich ist ein transparenter Umgang mit organisatorischen und institutionellen Rahmenbedingungen. Rogers vertritt die Ansicht, dass „eine Organisation oder eine Gruppe durchaus mit einem gewissen Maß an Freiheit und einem gewissen Maß an Kontrolle funktionieren kann, wenn die Beteiligten klar und unzweideutig wissen, welches Verhalten der Kontrolle des Leiters unterliegt und in welchen Bereichen das Individuum oder die Gruppe die freie Wahl hat“ (Rogers, 1980, S. 114).

Ein entscheidender Erfolgsfaktor für die Realisierung von Person-Centered Leadership sind Führungskräfte, die bereit und fähig sind, sich kritisch mit ihrem eigenen Menschenbild, ihren Einstellungen und Haltungen gegenüber den Mitarbeitern auseinanderzusetzen. Genauso wichtig ist der Wunsch der Mitarbeiter nach eigenem Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum. Rogers hält es für wenig sinnvoll, jemandem Entwicklungsräume zu gewähren, der sie gar nicht haben will. Eine personzentrierte Führungskraft sollte auch akzeptieren, dass es Menschen in Organisationen gibt, die diese Freiheit nicht wollen und lieber klare Anweisungen erhalten und „von oben“ geführt werden wollen (Rogers, 1984, S. 108).

Auch wenn eine personzentrierte Führungskraft nur in bescheidenem Ausmaß ein Arbeitsklima schafft, das durch Authentizität, Wertschätzung und Empathie charakterisiert ist, wird sich dies förderlich auf die zielgerichtete Zusammenarbeit in der Organisation und auf die Entwicklung der individuellen Ressourcen der Mitarbeiter auswirken (Rogers, 1984, S. 109).

Person-Centered Leadership – ein innovatives Führungskonzept

Person-Centered Leadership ist eine Metatheorie für dialogische Führung in Organisationen. Das Konzept basiert auf einem positiven Menschenbild und beschreibt die grundlegende Haltung einer personzentrierten Führungskraft gegenüber ihren Mitarbeitern und Kollegen.

Der Begriff Person-Centered Leadership verdeutlicht die personzentrierte Kompetenz einer Führungskraft im Sinne von Carl Rogers. Dazu gehören der Glauben an die Aktualisierungstendenz und die Verwirklichung der Basisvariablen Authentizität, Wertschätzung und Empathie als professionelles Beziehungsangebot in der täglichen Führungsarbeit. Im Zentrum personzentrierter Führung stehen immer Dialog und aktives Zuhören.

Person-Centered Leadership als grundlegende Haltung einer Führungskraft und als zielgerichtete Intervention geschieht mit dem Ziel, die Zukunftsfähigkeit der Organisation zu sichern und notwendige Weichenstellungen vorzunehmen.
Person-Centered Leadership nimmt die Einzigartigkeit jedes einzelnen Mitarbeiters einer Organisation als individuell existierende Person in den Blick und schafft Bedingungen, um das persönliche und berufliche Wachstum der Mitarbeiter einer Organisation – im Sinne der Aktualisierungstendenz – zu unterstützen.

Person-Centered Leadership bietet ein zukunftsweisendes Modell für die Führung von Organisationen in individualisierten Gesellschaften. Das Konzept fördert die Selbstverantwortlichkeit der Mitarbeiter und unterstützt die Entwicklung der Persönlichkeit der Mitarbeiter in Richtung ihrer beruflichen Entfaltung.

Der Personzentrierte Ansatz wird in Zukunft zunehmend Raum in der Führung von Unternehmen, Institutionen, Vereinen, Stiftungen und anderen Organisationen gewinnen. Person-Centered Leadership sollte vor allem bei der Leitbild-Entwicklung von Organisationen berücksichtigt werden. Das Konzept eignet sich sehr gut, um (Experten-)Teams in Profit- und Non-Profit-Organisationen zu Höchstleistungen zu führen. Da Person-Centered Leadership in der Praxis noch nicht durchgängig erprobt und nur ansatzweise wissenschaftlich überprüft ist, wird sich der Ansatz vor allem gegen jene Kritiker behaupten müssen, die ihm hoffnungslosen Idealismus und Blauäugigkeit vorwerfen. Das Argument, zu idealistisch und zu unrealistisch zu sein, begleitet im Grunde die Entwicklung der gesamten humanistischen Psychologie – hat ihrer Wirkung aber keinerlei Abbruch getan.

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